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Keiner von uns mag Konflikte und Streit gerne. Sie sind unangenehm und hinterlassen bei den meisten Menschen ein bedrückendes Gefühl. So sehr, dass manche von uns aus verschiedenen Gründen nahezu Angst davor haben und dazu neigen, Konflikte zu vermeiden. Genau das wird oft als ungesund betrachtet. Doch ist diese ständige Bemühung um Harmonie wirklich schädlich?
Um genauer zu verstehen, welche körperlichen und seelischen Auswirkungen Konfliktvermeidung möglicherweise haben kann, haben wir uns mit dem Sozialpsychologen und Konfliktforscher Prof. Dr. Ulrich Wagner unterhalten. Dieser Artikel gibt Antworten darauf, warum Menschen Konflikte vermeiden, ob Konfliktvermeidung ein geeigneter Weg ist, mit Auseinandersetzungen umzugehen, und wie man einen konstruktiven Umgang mit Konflikten erlernen kann.
Warum es zur Vermeidung von Konflikten kommt
„Manche Menschen vermeiden Konflikte, weil sie womöglich nie gelernt haben, diese konstruktiv zu lösen. Wieder andere meiden Auseinandersetzungen um jeden Preis, weil sie negative Erfahrungen mit Konflikten gemacht haben“, erklärt Prof. Dr. Wagner. Es kann also ganz unterschiedliche Gründe geben, warum Menschen Auseinandersetzungen lieber aus dem Weg gehen.
Beispiele für Konfliktvermeidung sind:
- Du sprichst Dinge, die dich stören, nicht an und wechselst das Thema, wenn sich eine Auseinandersetzung anbahnt.
- Du leugnest vor anderen und dir selbst, dass überhaupt ein Problem existiert.
- Du ärgerst dich im Stillen über ungelöste Probleme und vermeidest Konfliktgespräche.
- Du hast Angst, deine Mitmenschen zu enttäuschen, und möchtest deshalb nicht mit ihnen streiten, auch weil du von Anderen als nett und umgänglich angesehen werden möchtest.
Ist die Vermeidung von Konflikten hilfreich?
Konflikte an sich sind nicht unbedingt etwas Schlechtes. Wenn wir unterschiedliche Interessen haben, sind wir gezwungen, uns auch mit den Wünschen anderer zu befassen, und dabei lernen wir oft etwas Neues. Auch wenn wir zusammen mit anderen einen Kompromiss finden, kann der besser sein als unsere ursprünglichen Pläne.
Ein konstruktiver Umgang mit Konflikten kann also Vorteile haben. Die dauerhafte Vermeidung von Konflikten hingegen, kann uns in unserer Zufriedenheit, unserem Wohlbefinden, ja sogar in unserer Gesundheit und persönlichen Entwicklung erheblich beeinträchtigen.
„Nicht jeden kleinen Konflikt muss man endlos diskutieren und eskalieren lassen. Wir alle kennen Menschen, die sich angewöhnt haben, aus jeder Mücke einen Elefanten zu machen. Wenn es sich um Banalitäten handelt, kann man die eigenen Interessen auch einmal zurückstellen und die Gegenseite einfach machen lassen. Aber auf Dauer wichtige Konflikte nicht anzusprechen, ist nicht gut. Das kann dazu führen, dass die Gegenseite sich mehr und mehr durchsetzt und wir die damit einhergehenden Enttäuschungen und Frustrationen immer stärker in uns hineinfressen. Dauerhafte Konfliktvermeidung ist psychologisch gesehen also alles andere als hilfreich. Daher ist es wichtig zu lernen, wie wir fair und lösungsorientiert mit Konflikten umgehen können“, sagt Prof. Dr. Wagner.
Konfliktvermeidung, Konflikteskalation und Gesundheit
Wenn wir dauerhaft Auseinandersetzungen und Konflikte meiden, kann das zu Unzufriedenheit und Frustrationen führen, die sich negativ auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit auswirken.
Zudem schadet Konfliktvermeidung auch unseren zwischenmenschlichen Beziehungen, wie Liebesbeziehungen, Freundschaften und Familienbeziehungen. Die verlangen nämlich ehrliche und offene Kommunikation, die nicht gewährleistet ist, wenn wir Konflikte scheuen.
Wenn wir unseren Ärger zu lange in uns aufstauen, explodieren wir wohl früher oder später. Da wir uns vorher nichts haben anmerken lassen, wird auch die Gegenseite auf eine solche plötzliche Aggression mit Aggression reagieren. Der Konflikt eskaliert. Besser ist es somit, Konflikte offen anzusprechen.
Wie man gegen konfliktvermeidende Gewohnheiten ankommt
Die folgenden Strategien können helfen mit Konflikten konstruktiv umzugehen.
- Prüfe, ob ein Konflikt wichtig genug ist, etwas zu unternehmen – oder ob der Konflikt sich so weiterentwickeln könnte, dass in Zukunft ein Problem entsteht. Wenn das der Fall ist, versuche festzustellen, was genau den Konflikt ausmacht, was dich ärgert oder sogar noch mehr aus der Fassung bringt. Erkenne an, dass deine Gefühle berechtigt sind. Aber lass dich von deinen Gefühlen nicht mitreißen.
- Versuche, wichtige Probleme zu lösen, sobald sie auftreten. Wenn wir Konflikte möglichst früh ansprechen, kommt es oft gar nicht erst dazu, dass sich Frustration aufbaut oder ein Konflikt weiter eskaliert.
- Mach dir einen Plan, wie du den Konflikt ansprechen, eindämmen oder lösen könntest. Halte dir dabei vor Augen, wie hilfreich eine Konflikteindämmung oder -lösung für dich wäre, vielleicht auch für die Gegenseite. Überlege dir, wie du die Gegenseite ansprechen kannst, ohne sie zu kränken und den Konflikt noch weiter anzuheizen. Versuche herauszufinden, wann es Sinn macht, den Konflikt anzusprechen.
- Versuche, Wege zu finden, die dir helfen, deinen Stress abzubauen – insbesondere im Streitgespräch mit der Gegenseite. Eine solche Technik kann zum Beispiel darin bestehen, dass man sich vor Augen hält, wie wichtig es für alle ist, weitere Konflikteskalation zu vermeiden. Auch Atemübungen können helfen. Gleichzeitig kann es sinnvoll sein, der Gegenseite mitzuteilen, wie stressreich und bedrückend der Konflikt für die eigene Person ist.
„Natürlich ist es nicht immer einfach, unsere alten Muster der Konfliktvermeidung zu verlassen, aber für unser eigenes Wohl können neue Strategien zum Umgang mit Konflikten sehr hilfreich sein“, sagt unser Experte. „Solche neuen Umgangsformen mit Konflikten helfen oft auch, den Konflikt selbst zu entschärfen und die Beziehung zu stabilisieren.“
Tipps, wie du einer Konfliktsituation entkommen kannst, findest du in einem weiteren Beitrag.
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